Jugendgeschichten
Das Winzerhaus bei Hülsen war im Grunde des Weinberges, und war die Wohnung des
Winzers. Durch meinen Vater bin viel in die Weinberge gekommen, denn die Häuser
dort hatten ja keine Wasserleitungen sondern einen Tiefbrunnen aus dem dann das
Wasser mittels Pumpen in die Hauswasserversorgung gepumpt wurde, und diese
mussten wir ab und an reparieren. Das nur nebenbei. Die Luftmine die da
runtergegangen war hatte so eine starke Sprengkraft, das unsere Haustür von der
Druckwelle, trotz verschlossen sein, aufflog, lediglich das Schließblech war
verbogen. Die Fremdarbeiter waren Russen, Franzosen Belgier, Polen usw. Im
Steinmeister waren auch welche untergebracht die auch in den Weinbergen
arbeiteten. Diese waren aber einigermaßen gut behandelt worden. Auch bei den
Bauern im Ort waren Polinnen und Polen in der Landwirtschaft tätig, und meines
Wissens saßen diese mit am Frühstück, Mittag, und Abendbrottisch mit den Bauern.
Das können bestimmt noch mehr in Almrich bestätigen. Was natürlich nach dem
Zusammenbruch das Tausendjährigen Reiches passierte war , dass aus anderen Orten
solche Fremdarbeiter sich zusammen rotteten, und nun bei einigen Bauern Rache
üben wollten. Dazu hatten sich in Almrich die noch verbliebenen älteren Männer
zur Bürgerwehr zusammengetan, und gemeinsam diese Angriffe abwehrten.
Ausgerüstet mit Knüppeln, Sensen, Ketten , Trillerpfeifen, und Schwedenstern
wurde unser Ort gerettet. Später sammelten die Amerikaner diese Horden ein um
sie zu internieren. Aus diesen Lagern wurden diese Leute dann in Ihre
Heimatländer entlassen. Das was Waltraud da über Schulpforta erwähnt kann ich
bestätigen, und den Namen P. erklären. Dieser P. war ein Lehrer aus der
damaligen Napola , und hieß Person. Da wir auch in dem Dreifamilienhaus zu
arbeiten hatten kannte man die Familie auch. Doch weiter mit einem Erlebnis von
mir. Gegenüber unseres Hauses Pfortastraße 8 a befand sich das Naumburger
Wasserwerk und das wurde mit einem Dampfkessel, und einer Dampfmaschine
betrieben welche die großen Wasserpumpen antreiben mussten. Zum befeuern des
Dampfkessels mussten nun Unmengen von Kohlen herbei geschafft werden. Diese
Arbeit wurde von russischen Gefangenen gemacht. Ich habe mich dann mal ran
geschlichen, und da bettelten diese um Brot. Ich bin dann nach Hause, und habe
denen Brot, und etwas Fett gebracht. Was mich wunderte, das die völlig unbewacht
waren. So habe ich das noch mehrere Male gemacht. Eines Tages bekam ich von
einen dieser Gefangenen ein geschnitztes Flugzeug geschenkt mit dem ich dann
auch spielte, später bekam ich eine geschnitzte Mp, und damit wurde auch
gespielt. Wenn ich das heute betrachte war das ja alles verboten was ich da tat,
aber scheinbar waren die Menschen so mit sich selbst beschäftigt, dass das nicht
aufgefallen war. Die Transporte der Kriegsgefangenen Ende 1944 Anfang 1945 ,
und auch die KZ - Häftlinge die hier durchkamen waren auf dem Weg nach Weimar
Buchenwald. Die armen Menschen," sahen die noch wie Menschen aus " wurden von
den SS - Leuten immer wieder vorwärts getrieben , und wer nicht mehr konnte
wurde liquidiert. Einfach grausam. Es wusste keiner von uns was da vorging, erst
nach dem Kriegsende kam die grausame Wahrheit heraus. Für alle begann der Kampf
ums überleben. Der Zeitpunkt der Flucht aus Almrich muss mit der abrücken der
Amerikaner zusammen liegen. Da sind viele mit Sack und Pack mit den Amerikanern
mit gegangen. Der Betrieb des Autohauses Oeltze in der Kösenerstraße " wo heute
der kleine Supermarkt" ist, bestand noch bis in die 50 er Jahre, denn von da
stammte unser Auto ein BMW Baujahr 34 / 35 den wir in Einzelteilen zerlegt in
einer Garage des Goldenen Adlers mit Hilfe zweier Fachleute wieder aufbauten.
Holzgaser waren LKW bzw. PKW mit einen Zylinderförmigen Aufbau der dann das
Holzgas durch Verschwelung produzierte. Nach meiner Kenntnis war ein Holzgaser
sauberer als unsere heutigen Kraftstoffe, aber das Umfeld stank wie faule Eier.
Um zu den Baustellen zu kommen hatten wir nur Fahrräder, und einen Sogenannten
zweirädrigen Federwagen. Das war ein mit Blattfedern ausgerüsteter Wagen auf dem
wir unser Werkzeug, und Material transportierten. Um zu dem beschriebenen Haus
der Hülsen's zu kommen musste man mit Werkzeug bepackt ca., 335 Stufen
bewältigen, und das galt für alle ob Maler, Maurer, oder Elektriker, und dann
war man erst mal k.o. Größere Materialien wurden mit dem Pferdefuhrwerk über
Wilsdorf zu der Villa Hülsen befördert. Und heute? Es ist nicht mehr weg zu
denken wie wir heute unsere Entfernungen bewältigen. Aber irgendwie hatte das
früher alles seine Reize.
R.E.