Eine Geschichte für meine Enkel aus „ OPA erzähl mal“!
1945 war die Bodenreform in der ehemaligen
sowjetischen Besatzungszone, der späteren DDR
„ Junkerland in Bauernhand“ so lautete der Slogan
damals . Große Güter und Bauern die über 40 ha Land hatten wurden
enteignet.
Heinz Reumann erinnert sich und stellt sie der Almricher Homepage zur
Verfügung.
Almricher Kleinbauern und Grundstückseigentümer konnten Land erwerben.
Auch wir d.h. Oma Helgas Eltern hatten eine Waldparzelle erworben. Die befand
sich auf den „Platten“ in der Flur Flemmingen. Dort konnten wir Feuerholz
„schlagen“. So nannte man das Fällen von Bäumen. Nachdem Opa Helmut verunglückt
war, musste ich die Aufgabe des Holzschlagens übernehmen. 1953 begann ich mit
Opa Kurt Mattstedt dem 2. Mann meiner Mutter diese Arbeit durch zu führen. Früh,
noch vor Sonnenaufgang, machten wir uns auf den Weg in den Wald, beladen mit
Schrotsäge, Äxten, Schlegel und Eisenkeilen im Rucksack. Nach einer ¾ Stunde Weg
hatten wir unser Ziel erreicht. Nun sieht ein Wald überall gleich aus. Dort die
Grenze der Parzelle zu finden, war nicht leicht, war sie doch nur 30-40 Meter
breit und 200 Meter lang. Genau weiß ich das nicht mehr. Opa Mattstedt war ein
erfahrener Hufschmied, der im Krieg viele Bäume gefällt hatte . Mit ihm hatte
ich einen guten Lehrmeister, wir verstanden uns fast blind. Der Förster hatte
die Bäume die wir schlagen durften, nach forstwirtschaftlichen Gesichtspunkten
angezeichnet. Mit der Schrotsäge begann das stundenlange Sägen der alten Buchen
und Eichen. Andere Holzarten standen nicht in unserer Parzelle. Zuerst der
Fallhieb. Das hieß, in die Richtung, wohin der Baum fallen sollte, wurde ein
Einschnitt gemacht und der Keil mit der Axt herausgeschlagen. Dann wurde
gegenüber,10 cm höher, der eigentlich Schnitt gemacht. Mit einem Keil wurde der
Spalt erweitert damit die Säge nicht klemmt und solange gesägt bis der Baum
umfiel. Der Stamm durfte aber nicht zerkleinert werden. Der musste abgeliefert
werden, für den volkseigenen Bedarf als „ Nutzholz“.
Wenn man einen Eichenstamm für das eigene Haus brauchte,
musste man einen Antrag stellen. Man bekam dann 1-2 Stämme zugeteilt.
Zum Bretterschneiden wurde er in die Almricher
Schneidemühle gebracht. Das war nicht so einfach, denn der Stamm musste über
eine schiefe Ebene aus langen dünnen Stämmen mit der Hand auf den Wagen geroIlt
werden. Dazu waren mindestens 4-5 Männer notwendig.
Auf der Nachbarparzelle arbeiteten auch Leute. Da musste man warnen wenn man in
der Nähe der Grenze arbeitete. Holzarbeit ist eine sehr gefährliche und schwere
Arbeit. Nach dem sägen auf 1 Meterstücke und spalten in Scheite, wurden die
Scheite an den Weg zum Abtransport getragen. Den Transport übernahmen die Bauern
aus Almrich mit Pferdefuhrwerken. Oft blieben wir im Morast stecken. Da hieß es
die Hälfte abladen damit es die Pferde schafften. Danach wieder aufladen, eine
Schinderei. Waren andere Fuhrwerke in der Nähe, haben wir auch vorgespannt.
Da hat
man sich gegenseitig geholfen. Überhaupt, die Hilfsbereitschaft war im
Allgemeinen sehr groß. Aber auch die Schadenfreude war groß! Unsere Nachbarn
waren ganz „Schlaue“. Lautstark, mit 5-6 Mann begannen sie zu sägen. Viel Ahnung
hatten sie nicht, denn der Stamm schlitterte auf, weil sie ohne Fallhieb
gearbeitet hatten.-
Vielleicht waren sie aber auch gar nicht so
ahnungslos. Denn wenn der Stamm
aufsplitterte, war er als Nutzholz nicht zu gebrauchen und durfte als Feuerholz
verarbeitet werden-. Ein Trick, den wir später auch
anwendeten. Aber der Förster war auch kein Dummer, der kontrollierte auch und
tauchte
unverhofft auf.
Opa Mattstedt hatte diese Arbeitsweise schon beobachtet.
Pass auf ,Heinz , was passiert, sagte er schon vorher. Zum Leidwesen fiel der
Baum auch nicht in die Richtung die vorgesehen war, sondern lehnte sich schräg
in einen daneben stehenden Baum in eine Astgabel. Nun war guter Rat teuer! Was
machten die Schlauberger? Sie sägten einen anderen Baum um und versuchten ihn
auf den hängenden Baum fallen zu lassen, damit der mit herunterfiel. Auch das
misslang. Dieser Baum hing auch fest und verhakte sich. Das passierte auch bei
dem 3. Baum. Opa sagte schon vorher: „Schau hin, die bauen ein Zelt“. Es war
eine gefährliche Situation entstanden und Opa Mattstedt konnte nicht mehr
zuschauen und ging rüber und erklärte wie man es machen sollte. Unter größter
Vorsicht wurde ein Baum unten 1Meter gekürzt, damit er nachrutscht und frei
wurde. Schnell musste man beiseite springen um nicht erschlagen zu werden. Ein
äußerst gefährliches Spiel. Das dauerte 3 Tage. Wir waren schon lange fertig, da
fluchten und schimpften sich die Schlauberger immer noch.
Das Holz fuhren
wir zu einem Bauer, der es sägte und es uns wieder nach Hause brachte. Gehackt
haben wir es sobald wie möglich, denn grün d.h. naß hackt sich das Holz am
leichtesten. Es wurde aufgestapelt und im nächsten Jahr, wenn es trocken war,
konnte man es verbrennen. Dass es auch bei und nicht ohne Blut ging, zeigt die
folgende Episode. Onkel Manfreds Vater hatte eine Fuhre Holz vor dem Haus auf
dem Lindenberg stehen und es sollte zum Sägen zum Bauern gebracht werden. Statt
auf den Bauern mit den Pferden zu warten sagte er :
„Den Wagen
schieben wir runter, der kullert
von allein. Los, alle anpacken“. Er an die Deichsel, das
ist die Stange vorn zum lenken. Wir, das war Manfreds Bruder Gert, mein Freund,
in die Speichen zum Schieben und ab ging die Fuhre. Ich war der Bremser. Ich
lief an der Seite der Vorderräder und musste die Bremse anleiern oder locker
lassen. Bis zur Schule ging alles gut. Dort habe ich nicht aufgepasst und der
voll beladene Wagen rollte mir mit dem Vorderrad über den rechten Fuß. Ich bin
noch bis zum Bauern gelaufen bis ich den Schmerz spürte. Als ich den Schuh
auszog war alles voller Blut. Es war aber nichts gebrochen. Im nächsten Jahr
haben wir einen 15 jährigen Neffen von Opa mitgenommen. Dem fiel beim Ausästen
ein starker Ast auf den Knöchel und er brach sich einen Knochen. Ich habe Ihn
von der Parzelle bis zum nächsten Arzt nach Bad Kösen auf dem Rücken getragen,
45 Minuten Wegstrecke über Stock und Stein. Ich war fix und fertig. So, nun
wisst Ihr wie gefährlich Holzarbeit sein kann. Seid vorsichtig. Vielen
Holzarbeitern fehlt ein Finger! Die modernen Motorsägen und Winkelschleifer sind
„ Geheimwaffen. „Vorsicht mit der Porzellankiste“!
Später in den 60 er oder 70er Jahren hat uns der DDR Staat den Wald mit
fadenscheinigen Mitteln wieder abgenommen. D.h . Erst mussten wir aufforsten.
Wir, Oma Helga und ich pflanzten 300 Jungeichen an. Dann sollten wir die
Baumstuppen roden. Wenn wir es nicht machen, wollte uns der Staat die Kosten in
Rechnung stellen. So kam eine Auflage nach der Anderen. Bis wir den Wald wieder
zurückgegeben haben. Nach der Wende hätte man Rückübertragung beantragen können.
Wir, Tante Heidi und Helga als Erben, haben es nicht getan. Ob es richtig war?
Wer weiß? Man macht im Leben viel, was sich erst später als richtig oder falsch
erweist.