Mode und Geschmack im Wandel der Zeit, auch in Almrich.

 

Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. In jedem Magazin, fast jeder Zeitung oder in Programmheften, werden wir täglich, nicht nur zur freudigen Erbauung der Männerwelt, mit leicht bekleideten „Dämchen“ in  verführerischen Posen konfrontiert. Manchmal wirken sie mit ihren oft komisch wirkenden, unnatürlich und bestimmt schmerzhaften Verrenkungen, sogar lächerlich, statt ästhetisch schön.
Als noch rüstiger Rentner schaue ich mir diese Bilder schmunzelnd, aber auch wehmütig gerne an. Warum auch nicht! War doch unsere Jugendzeit weniger freizügig, ja regelrecht prüde.
Dabei kommen mir aber auch Gedanken wie es wäre, wenn Männer sich ständig in so einer erotisch herausfordernden Art in der Öffentlichkeit präsentieren würden. Sie würden wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses abgestempelt. Entblößer, Sittenstrolche, Exhibitionismus und andere Titel wären Ihnen Gewiss. Von Gleichberechtigung des Mannes kann da nicht die Rede sein. Nicht, dass ich so etwas billigen würde, aber so ist es eben mit dem „kleinen“ Unterschied!
Gleich nach der Wende erlebte ich so einem „Flitzer“ auf Bielefelds Straßen. Es war „ Ernie“ der uns nackt auf dem Fahrrad entgegen kam. Im Fußballstadion auf der „Bielefelder Alm“ wurde er bei seinen Aktionen mehrere Male eingefangen und für kurze Zeit eingesperrt. Da müsste man die so genannten weiblichen Sterne und Sternchen der Mode und Unterhaltungsbranche, scharenweise einsperren. Aber nun „zur Sache“!
Es ist gerade mal 50 Jahre her, da dachte man über Sitten und Moral oder Geschmack in der Mode ganz anders. Damals wandelte ich auf Freiers Füßen und ich kam in ein Haus, in der 3 Generationen wohnten und noch sehr viel Wert auf „ Anstand“ gelegt wurde. Ich habe davon profitiert und einiges gelernt.
Meine Auserwählte musste am Waschtag die Wäsche zum trocknen auf dem Hof aufhängen.
Kein Problem, wären darunter nicht auch die altmodischen „Schlitzhosen“ der Oma! Wer kennt sie noch? Es waren knielange Leinenhosen die im Bund „gebunden“ wurden. Die Beinöffnungen waren mit Rüschen mehr oder weniger, je nach dem Anlass, verziert. Im Schritt waren diese Unterhosen offen, also nicht hauteng geschlossen. Diese Bauweise hatte den Vorteil, dass man bei der Feldarbeit und einem aufkommenden „Bedürfnis“ nur unauffällig die Beine spreizen musste, den langen faltenreichen Rock etwas abhalten musste, und schon konnte man sich unauffällig entleeren. Ja, ja, wie sollte man das heut Zutage mit einem modernen Slip machen?
Zurück zum Waschtag! Meine zukünftige Frau hing diese Schlitzhosen immer so auf, dass jeder Besucher sie sehen konnte. Wir hatten eine Wäscherolle im Haus und dadurch viel Publikumsverkehr Am Anfang unbewusst. Später, als sie bemerkte dass Oma sie schnell an einem unzugänglichen Ort umhängte, machte sie sich einen Spaß daraus und wir alle amüsierten uns  über  Oma, einer moralisch sehr prüde eingestellten alten Dame. Sie möge mir diesen lustigen Beitrag verzeihen! So war das eben damals und es sollte nicht vergessen werden. Ich habe von Ihr sehr viel über Sitten und Moral, Anstand und Benehmen gelernt. War sie doch im Umgang mit „feinen“ Leuten, das waren Ärzte, Rechtanwälte oder Fabrikanten, durch Ihre Tätigkeit als Hemdenbügelerin, geübt. Sie hat sich vieles abgekuckt und an uns weiter gegeben.   

Auf dem Bild wird so eine Feldszene, wie beschrieben, abgebildet. Ob unsere Oma dabei ist, schon möglich! Ob sie Ihre Bedürfnisse, so wie beschrieben, erledigt hat, wage ich stark zu bezweifeln. Dazu war sie eine zu feine alte Dame.       

                                                                                                                                                Heinz Reumann  03.11.2011